An(ge)dacht Juli 2019 – Gedanken reifen lassen

Gedanken reifen lassen

Geduld ist nicht gerade meine Stärke. Manchmal ärgere ich mich über mich selbst, wenn ich jemandem ins Wort falle oder nicht abwarten kann und einfach zugreife und lieber alles selbst mache. Dann geht es wenigstens schnell, denke ich. Damit entmutige ich Kinder, stoße Erwachsene vor den Kopf.
Das Zitat aus dem Jakobusbrief sollte für mich und gewiss auch für viele andere Zeitgenossen täglicher Begleiter sein. Es klingt so einfach: Hör genau hin, überleg dir deine Worte, sei doch nicht gleich so aufbrausend!

Die Hektik unserer Zeit ist keine Entschuldigung für vorschnelle Aktionen und heftige Reaktionen. Stellen Sie sich Jesus bei der Bergpredigt vor, kaum hätte er einen Satz zu Ende gesagt, gäbe es schon Sprechchöre und wütende Angriffe. Was wäre uns da verloren gegangen, hätten Menschen nicht zugehört und in Ruhe Fragen gestellt und manchmal einfach nur gute Worte und Ideen weitergegeben.

Hör doch bitte erst einmal hin, sortiere deine Gedanken, überlege genau, was du wie sagen willst und ball nicht gleich die Faust, wenn dir etwas nicht passt!

Geduld ist sicherlich nicht meine Stärke, genau hinzuhören habe ich aber inzwischen gelernt und Zornesfalten weitgehend verbannt. Das ist nicht nur eine Frage des Lebensalters oder des Berufes. Ich bin mir sicher: Die Lebens- und Glaubenserfahrung haben mich gelehrt, auf die Weisheit der Bibel zu hören. Sie trägt sehr gut im Alltag.

Carmen Jäger
„Der Gemeindebrief“

An(ge)dacht Juni 2019 – Gute Worte sind eine Wohltat

Unsere Sprache wird immer aggressiver und härter, fordernder und lauter. Brüllen hat Einzug in die gute Stube gehalten. Sogar in politischen Auseinandersetzungen sind Beschimpfungen an der Tagesordnung. In Schulen und Kindergärten spiegeln sich diese Verhaltensmuster wider. Gleichgültigkeit vor der äußeren und inneren Not eines Menschen geht quer durch alle Schichten der Gesellschaft.

Wie wunderschön dagegen dieser Satz aus dem Alten Testament: Freundliche Reden sind Honigseim, süß für die Seele und heilsam für die Glieder. Schließen wir doch mal die Augen und schmecken ihm nach – ein sonniger Morgen, knusprige Brötchen mit Butter und Honig, dazu duftender Kaffee oder goldgelber Tee. Manch dunkler Schatten der Nacht, manch Schmerz in den Knochen verschwindet zwar nicht, wird aber zweitrangig.

Ein freundliches Wort kann ich nicht mit finsterem Gesicht sagen, und mit einem Lächeln im Gesicht kann ich nicht aggressiv werden. Körper und Seele gehören zusammen: unsere Sprache ist Ausdruck unserer körperlichen und seelischen Verfassung.

Ohne ein gutes Wort, ohne einen freundlichen Blick geht es mir schlecht. Und komischerweise trifft das nicht nur auf die Worte zu, die mir gesagt werden. Ich fühle mich auch sehr viel wohler, wenn ich lächeln kann und aufmunternde Worte für andere Menschen übrig habe. Vom Nektar der göttlichen Wegweisung zehre ich.

Carmen Jäger
„Der Gemeindebrief“

An(ge)dacht Mai 2019 – Die eigenen Grenzen entdecken

David hat hochfliegende Pläne. Er will für seinen Gott ein Haus bauen, wie es noch keiner gesehen hat. Und womöglich wünscht er sich, so auch selber Geschichte zu schreiben. Doch Davids kluger Berater Nathan sieht in einem Traum, dass diese Pläne zu groß sind. Ein anderer wird das Projekt fertig machen müssen. David erkennt das an und lobt Gottes Größe.
Hochfliegende Pläne: der Treibstoff des Lebens. Ich brenne für eine Idee oder bin begeistert von einem Projekt. Wie schön wäre es, etwas groß zu machen und mir selbst einen Namen. Aber dann kommt etwas dazwischen. Steine liegen im Weg. Ich komme an die Grenzen meiner Kraft. Und ich muss eingestehen: Was ich mir vorgenommen habe, ist zu groß für mich, ich schaffe es nicht. Vielleicht gehört das zu den schwierigsten Aufgaben des Lebens: die eigenen Grenzen erkennen, Pläne loslassen – und dann das erträumte Bild von mir deckungsgleich zu machen mit einem, das mich zeigt, wie ich bin. Das macht mich zunächst traurig. Aber – viel später – auch demütig und dankbar.
Denn es ist so befreiend, nicht mehr den Plänen hinterherjagen zu müssen, an denen ich mich nur verheben und scheitern kann. Es ist so erlösend, mir sagen zu lassen, dass ein anderer es fertig machen wird. Er, der ist wie sonst keiner, dessen Name weiter reicht als meine Kraft und mein Leben: Er fragt nicht nach dem, was ich vorzuweisen habe. Und schreibt meinen Namen doch groß in das Buch seines Lebens.

Tina Willms
„Der Gemeindebrief“

An(ge)dacht März 2019 – Gott ist die Nummer eins

Gott ist die Nummer eins

Welche Konsequenzen hat es, wenn wir Gott unsere Herzen zuwenden und ihm allein dienen? Damals zur Zeit des Samuel bedeutete das für die Israeliten, dass sie ihre Götterfiguren von Baal und Astarte wegwarfen und nur noch den unsichtbaren Gott verehrten, der sie aus Ägypten befreit und in das Land ­Israel geführt hatte. Um 1070 vor Christi Geburt wurden die Israeliten häufig von dem Nachbarvolk der Philister angegriffen und erlitten herbe Niederlagen. Deshalb empfahl Samuel, der Gottesmann und Führer des Volkes, den Israeliten, dass sie ihre ganze Kraft wieder allein aus ihrem Glauben an den wahren Gott schöpfen. Und tatsächlich fanden die Israeliten nach ihrer Bekehrung wieder zu ihrer Kraft und lebten mit ihren Nachbarvölkern in Frieden.

Und 2019? Der christliche Glaube mit seinen jüdischen Wurzeln verliert in unserer Gesellschaft zunehmend an Kraft. Er scheint zu verdunsten. Wir erleben: Wo der Glaube an Gott schwindet, machen sich andere Götter breit. Das Ego und das Geld bekommen Macht. Eigensucht und Ellenbogenmentalität sind die Tugenden dieser Götzen. Barmherzigkeit wird als Naivität ausgelegt, der Schwache wird ausgegrenzt und der Ehrliche wird zum Dummen. Wollen wir so leben? Im ständigen Wettkampf und Kleinkrieg, wo keiner dem anderen mehr vertrauen kann?

Ich meine, es ist höchste Zeit, dass wir Gott wieder die Nummer eins sein lassen. Denn bei Gott ist „die Quelle des Lebens“ (Psalm 36,10).

Reinhard Ellsel
„Der Gemeindebrief“


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An(ge)dacht Januar 2019 – Gott baut uns Brücken

Gott baut uns Brücken

Schillerndes Gelb, Orange und Rot am Himmel, bis hinein ins Violett. Ein Regenbogen. Er hat für viele Menschen etwas Faszinierendes, Bezauberndes. Wenn ich einen sehe, geht mir ein Märchen im Kopf herum. Da ruhen die Enden des Regenbogens in goldenen Schalen. Wer sie findet, darf sich glücklich schätzen.
Gerade bin ich an einem gewittrigen Sommertag mit meinem Sohn unterwegs gewesen. Und schon war er da: Der Bogen, ganz klar und vollständig. „Los, Mami“, sagt mein Großer, „lass uns zum Anfang des Regenbogens fahren, heute finden wir die goldene Schale.“ Habe ich meinen Kindheitstraum so auf ihn übertragen, dass er mit seinen fast 30 Jahren noch nach den goldenen Schalen aus dem Märchen sucht?
Die Bibel erzählt auch eine Geschichte vom Regenbogen. Gott setzt ihn an den Himmel, nachdem die Sintflut vorbei ist. Seitdem ist der Regenbogen ein Zeichen. Er ist wie eine Brücke zwischen Gott und den Menschen. Eine Brücke, die nie mehr zerbrechen soll. Ein Bund, der geschlossen wird, ein für alle Mal. Im 1. Buch Mose verspricht uns Gott: „Meinen Bogen habe ich gesetzt in die Wolken; der soll das Zeichen sein des Bundes zwischen mir und der Erde.“
Vielleicht sind die Brücken, die Gott uns baut, der Bund, den er mit uns Menschen schließt, die goldenen Schalen, die Glück und Segen verheißen. Sogar große Kinder halten danach Ausschau. Nicht nur an Sommertagen.

Carmen Jäger
„Der Gemeindebrief“

An(ge)dacht Dezember 2018: Es wird alles anders und besser

Hocherfreut werden – diesen Zustand wünscht man sich doch. Aber wie geht das? Ganz einfach: Als sie den Stern sahen, ist es passiert – und noch besser – es hält an, vielleicht sogar ein Leben lang. Soweit das Matthäusevangelium. Die Hirten fehlen hier, Matthäus erzählt knapper, ganz auf Jesus konzentriert. Aber – hocherfreut – das ist auch hier die Weihnachtsbotschaft. Ob im Trubel der Weihnachtseinkäufe oder nach der Bescherung dieser Zustand erreicht wird?
Ein Stern reichte damals, na ja eigentlich nicht allein. Denn der Stern war ja mit einem besonderen Ereignis verknüpft – Jesu Geburt. Und der Hoffnung, jetzt wird alles nicht nur anders, sondern besser. Und der Stern musste gesucht werden. Es gab die frohe Botschaft, ein Retter kommt, aber für die Weisen stand er nicht vor der Tür, sie suchten und fanden ihn und machten sich auf den Weg. So mundgerecht, wie wir heute Weihnachten serviert bekommen, ist Weihnachten eben doch nicht. Zwar müssen wir nicht eine beschwerliche Reise zum Christkind zurücklegen, aber einige Hindernisse sind auch für uns aufgebaut. Es hat nämlich Konsequenzen, dem Kind zu begegnen, sich bei Gott einzufinden.
Hocherfreut heißt nicht nur, Freude zu empfangen und zu empfinden. Hocherfreut heißt, Freude zu teilen und zu ermöglichen, für sich selbst und für andere. Manchmal ein beschwerlicher Weg, aber: „Da sie den Stern sahen, wurden sie hocherfreut.“ Hocherfreute Weihnachten!

Carmen Jäger
„Der Gemeindebrief“

An(ge)dacht Oktober 2018 – Gott blickt tief ins Herz hinein

Viele Wünsche sind tief in unseren Herzen vergraben. Sehnsüchte finden nur selten den Weg auf die Lippen. Noch seltener werden sie zu verständlichen Worten – eher zu Seufzern oder einem tiefen Atemholen. Das ist unverständlich und doch befreiend. Innere Geheimnisse verraten wir nur wenigen vertrauten Menschen.

Doch was ist, wenn es solche Freundschaften nicht mehr gibt? Wer hört und versteht die Seufzer einsamer Menschen? Gott versteht sie, weiß der Beter des Psalms. Gott blickt tief ins Herz hinein, das unsere Sehnsüchte und Leidenschaften birgt.

Und Gott kennt auch die dunklen Ecken, die schwer zu tragenden Geheimnisse, die Sünden, die den Beter wie eine schwere Last krumm und gebückt gehen lassen. Einsamkeit, heißt es, sei eine Krankheit unserer Zeit, in der Menschen andere nicht brauchen, weil sie alles alleine können und machen. So lange, bis sie niemanden mehr kennen und selber nicht mehr gekannt werden.

Erschreckend ist daran, dass bereits junge Menschen so vereinsamen. Was nicht weiter auffällt, weil sie ihr Sehnen nicht zeigen und ihr Seufzen niemand hört. Doch sie alle bleiben erfüllt von der Sehnsucht danach, dass das Leben wieder gut wird mit sozialen Bindungen, dass sie wieder Freunde finden oder in eine Familie zurückkehren.

Gott versteht, hört hin, schenkt Vertrauen und Zuversicht, dieses Sehnen in Worte fassen zu können.

Karin Bertheau
„Der Gemeindebrief“

An(ge)dacht August 2018 – „Ich liebe Dich“

Die drei großen Worte, wer kennt sie nicht und hat sie nicht schon einmal gehört oder selbst gesagt? „Ich liebe Dich!“ Wir sagen diese Worte so oft zu unseren Partnerinnen und Partnern, zu unseren Eltern, zu unseren Kindern. Manchmal wirkt es sogar inflationär. „Ich liebe Dich!“ Können Sie die Worte füllen? Je intensiver man sich mit dieser Aussage auseinandersetzt, desto schwieriger gestaltet sich eine genaue Definition von Liebe. Es wird schier ausufernd. Was wollen wir mit diesen drei Worten ausdrücken? Zuneigung, Hilfsbereitschaft, Verlässlichkeit, Vertrauen, Geborgenheit, Offenheit, Respekt, Annahme, Vergebung? Wahrscheinlich noch vieles mehr.

Praxistest: Jeder von uns freut sich darüber, wenn wir Hilfe und Unterstützung erhalten, wenn wir von Menschen angenommen und akzeptiert werden, wie wir sind. Wenn wir einen Menschen an unserer Seite haben, der unsere Hand hält, wenn es uns schlecht geht. Wenn wir wissen, dass wir uns auf diese Person verlassen können, ihr oder ihm vertrauen können. In diesen Momenten legen wir all unsere Emotionen in die drei Worte „Ich liebe Dich!“, weil sie einfach alles umfassen. Kinder, aber auch Erwachsene fragen häufig: Wo ist eigentlich Gott? Wir brauchen nicht lange suchen. Denn er ist da, wo wir Menschen mit Liebe begegnen. Wenn wir lieben und diese Liebe teilen, sind und bleiben wir Gott, der alles umfasst, ganz nah. Dazu müssen wir gar nicht immer „Ich liebe Dich“ sagen. In allen Gesten der Liebe können wir ein kleines bisschen von Gott spüren und erfahren.

Pfarrer Alexander John


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