100 Tage-Bilanz einer Pfarrerin

Gut 100 Tage ist Ksenija Auksutat (55) nun als Pfarrerin in Stockstadt am Rhein tätig. Die 100-Tage-Frist wird auch den Verantwortlichen in politischen Ämtern eingeräumt. Doch dann sollen erste Ergebnisse und Erfolge erkennbar werden.

„Erfolg ist ja eigentlich kein Kriterium in der Seelsorge“, sagt Auksutat nachdenklich. Dennoch blickt sie zufrieden auf die ersten drei Monate. In den ersten Wochen war noch der Abstand zwischen Darmstadt und Stockstadt zu bewältigen, viele Fahrten, zuweilen auch zwei Mal am Tag. Dann kamen der Umzug und die Einführung in einem Gottesdienst. Dass das Verhältnis der Gemeinde zum vorhergehenden Pfarrerpaar in einem Konflikt endete, ist in Stockstadt kein Geheimnis. Doch Ksenija Auksutat möchte neues Vertrauen aufbauen. „Ich bin mit meiner Berufs- und Lebenserfahrung hierhergekommen. Mein Dienst ist getragen von Hoffnung und Liebe.“ Sie bezieht beides aus dem christlichen Glauben, davon lebt sie und das gibt sie weiter. Vor allem als Seelsorgerin im Zusammenhang mit Sterben und Tod hat sie in den ersten Monaten erlebt, wie wichtig das auch für die Gemeindemitglieder in Stockstadt ist.

Auksutat arbeitet mit einer vollen Stelle in der Stockstädter Kirchengemeinde, die rund 2300 Mitglieder hat. Pfarrer Hans Jürgen Basteck hat die halbe Pfarrstelle inne und ist zudem ihr Ehemann.

Änderungen wird es mit ihnen auch geben. Den Anfang machen die Konfirmandinnen und Konfirmanden. Sie treffen sich seit Oktober einmal im Monat für einen ganzen Tag zum Unterricht im Gemeindehaus. „Dann ist Zeit für viel gemeinsames Erleben, die Jugendlichen erleben sich als Gruppe beim Spielen und Essen.“ Am ersten Konfi-Tag haben Tiffany Yamamoto und Inge Haidinger aus dem Kirchenvorstand für das Mittagessen gesorgt, es war bio und vegan. Der Konfi-Unterricht arbeitet mit einem online-Konzept, dafür wurde im Gemeindehaus ein WLAN-Zugang eingerichtet.

Die Gottesdienste werden in der gewohnten Form gefeiert, aber es gibt mehr Beteiligung. Für den Familiengottesdienst an Heilig Abend mit Krippenspiel konnte sie 18 Kinder zur Mitwirkung gewinnen. Ein kleiner Engel hat sich selbst den Satz ausgedacht, den sie sagen möchte und einen Wolf wird es auch geben. „Die Kreativität der Kinder ist ein großer Schatz. Als Erwachsene sollen wir Kindern aufmerksam zuhören,“ findet Auksutat. Die Abendgottesdienste bekommen eine freiere Form in denen sich auch Menschen ohne kirchlichen Background gut einstimmen können. Für ältere Mitbürger konnte sie zwei ehrenamtliche Helferinnen als Gottesdienstpatinnen gewinnen. Sie sorgen dafür, dass auch gehbehinderte Menschen pünktlich zur Kirche und wieder zurück nach Hause kommen können.

Auksutat beschreibt sich als gut strukturiert und innovativ. „Wichtig ist mir auch das, was ich Zuhause arbeite – dazu gehört für mich, intensiv nachzudenken,“ sagt sie und legt den Kopf schräg. „Was braucht es, um Menschen ohne Erfahrung mit der Sprache des Glaubens zu erreichen?“ fragt sie. „Wie finden die Stockstädter mit ihren Lebensfragen und Anliegen Raum in der Kirche?“ Sie möchte die Gemeinde über den Kreis der Aktiven hinaus kennenlernen: „Es braucht Zeit bis man etwas in und mit der Gemeinde aufbauen kann.“ Ksenija Auksutat stellt klar: „Ich bin keine Alleingängerin, ich bin ein Teamplayer.“ Sie wolle gemeinsam ihrem Mann, dem Kirchenvorstand und vielen anderen „die Kirche öffnen als Ort für alles, was das Leben stärkt“. Mit einem Lachen gesteht sie ein: „Ungeduldig bin ich manchmal schon. Manche sagen, ich sei forsch. Aber ohne das wird sich nichts verändern.“ Man wird Pfarrerin Auksutat also weiter mit viel Schwung auf dem Fahrrad unterwegs in Stockstadt sehen.