Riskiere deinen Reichtum
Ein Mädchen macht es vor: Aus Mitleid verschenkt es alles, was es hat. Einem Hungrigen gibt es sein letztes Brot, einem Kind, das friert, schenkt es die Mütze, dem nächsten das Röckchen, und schließlich gibt es das letzte Hemd. Wohl nicht zufällig erzählt die Geschichte von einem Kind. Als Erwachsene spüre ich: Irgendwann spaziert die Angst ins Leben, nistet sich ein und macht sich breit: Hast du wirklich genug? fragt sie. Wird es denn reichen, was dir zur Verfügung steht? Zuerst Geld und Brot, Kleidung und Wärme? Dann aber auch Zeit, Kraft, Sinn und Lebendigkeit?
Gut, wenn einer die Sorgen ernst nimmt, die ich mir mache. Besser noch: wenn er nicht dabei stehen bleibt. Sondern mir Mut macht, etwas zu wagen: Verschenke von dem, was du hast, und zwar nicht nur von dem, was im Überfluss da ist. Sondern auch von dem, um das du dich sorgst. Riskiere deinen Reichtum und setz dich selber aufs Spiel.
Einfach ist das nicht. Ich könnte anfangen mit dem, wovon ich mehr als genug habe. Und dann mutiger werden und von dem geben, um das ich mich sorge. Vielleicht erfahre ich: Es ist mehr da als geglaubt. Und es bereichert mich, warmherzig und mitfühlend zu sein.
Vielleicht geschieht gar, was sonst nur im Märchen möglich scheint, wo dem Mädchen am Ende glänzende Sterntaler in den Schoß fallen. Vielleicht fliegt auch mir vom Himmel etwas zu, auf das ich gar nicht aus war: Freundschaft oder Verwegenheit, Glück oder Lebenssinn.
Tina Willms
„Der Gemeindebrief“