Ried-Echo vom 24.8.2019: „Kirchenbücher als wichtigste Quelle“

Von René Granacher

STOCKSTADT – Geschichtliche Ereignisse scheinen weit weg – außer, wenn sie die eigenen Vorfahren betreffen. Jörg Hartung hat am Donnerstagabend rund 40 Stockstädtern ihre historischen Wurzeln nahegebracht, als er über die Geschichte alteingesessener Familien referierte.

Es ging um Namen, die schon immer zu Stockstadt zu gehören scheinen. Tatsächlich sind jedoch viele dieser alteingesessenen Familien erst im Laufe des 18. Jahrhunderts in den Ort gekommen, oft aus benachbarten Dörfern. Andere sind nach dem Dreißigjährigen Krieg zugezogen, als Not und Verwüstung viele Menschen aus ihren Heimatorten vertrieben.

Die wichtigste Quelle für solche Informationen sind Kirchenbücher, erläuterte Hartung. Erst seit 1875 gibt es deutschlandweit eine amtliche Registrierung von Geburten, Heiraten und Taufen – vorher haben die örtlichen Pfarrer diese Ereignisse notiert. Das Entziffern der alten Unterlagen ist eine Herausforderung: Schriften und Schreibweisen verändern sich, erklärte Hartung, und erfordern immer wieder neues Einlesen. „Und mancher Pfarrer hatte einfach eine Sauklaue.“

Als er sich mit 15 für die eigenen Vorfahren zu interessieren begann, konnte er selbst nichts in den alten Büchern lesen und bekam viel Hilfe vom damaligen Pfarrer Karl-Heinz Horlebein. Die Familie Grünig, der Hartungs Mutter entstammt, entpuppte sich dann als eine der am längsten nachweisbaren im Ort: Seit dem 30-jährigen Krieg ist sie hier ansässig.

Da die erhaltenen Stockstädter Kirchenbücher – ein Teil verbrannte im Zweiten Weltkrieg in Darmstadt – nur bis 1643 zurückreichen, ist man für die Zeit vorher auf andere Unterlagen angewiesen. So auf eine Kriegsschadensliste von 1622, wo schon der Name Nösinger auftaucht. Nösingers (manchmal Nesinger geschrieben) waren immer wieder als Rheinfischer anzutreffen, auch der letzte Fischer des Ortes zu Beginn des 20. Jahrhunderts war ein Nösinger.

Berufe, die über die Generationen weitergegeben werden, finden sich immer wieder in den Unterlagen: viele Fischer und Bauern, aber auch traditionelle Handwerke – Bäcker, Metzger, Weber. Wahrscheinlich heirateten diese sogar öfter in benachbarte Orte, weil man möglichst einen Ehepartner aus dem gleichen Gewerbe suchte. So war die Familie Felger (aus Gundernhausen zugezogen) als Hirten tätig. Als Zimmergeselle kam 1715 der erste Kabey nach Stockstadt, und auch dieser Beruf hielt sich in der Familie.

Die Familie Hefermehl ist seit 1759 als wohlhabende Bauern in Stockstadt zu finden; in ihrem Herkunftsort Crumstadt schrieb und schreibt sie sich Hebermehl. Der Name Mölbert kam 1746 aus Erfelden, Lautenschläger 1869 aus Pfungstadt. Das Bäckerhandwerk pflegte die Familie Nold, 1779 aus Erfelden gekommen, bis Jakob Friedrich Nold aus einer Schlosserei einen großen metallverarbeitenden Betrieb aufbaute, der den Ort über Jahrzehnte prägen sollte.

Eine Familie Nübling oder Niebling findet man in Stockstadt nicht mehr, dabei war sie schon vor dem Dreißigjährigen Krieg hier ansässig: Ein Dokument von 1594 nennt einen Stockstädter Fischer dieses Namens. Seit 1750 gibt es keine Namensträger mehr, doch das Erbe lebt fort, erklärte Hartung: Fast jeder alteingesessene Stockstädter hat Vorfahren namens Nübling. Wer seine Familiengeschichte nachverfolgen will, kann dazu das „Stockstädter Familienbuch“ nutzen, das Jörg Hartung verfasst hat.