Ried-Echo vom 8. April 2020 – An Ostern leere Kirchen im Ried

Pfarrer dreier christlicher Gemeinden im Ried berichten, was sie in der schweren Zeit der Corona-Pandemie bewegt. Von Charlotte Martin

RIEDSTADT/STOCKSTADT – Grün sprießt das Ostergras in Schalen vorm Altar, Tütchen mit der Aufschrift „Frohe Ostern“ rascheln, als Pfarrerin Ksenija Auksutat sie zur Hand nimmt: „Wir haben Ostern eingetütet“, sagt die evangelische Pfarrerin von Stockstadt, und setzt der Tatsache, dass Ostergottesdienste aufgrund der Corona-Krise nicht mit der Gemeinde gefeiert werden können, Zuversicht entgegen: „Trotz Pandemie feiern wir Ostern, wenn auch anders.“

250 Ostertütchen mit Gebeten für zuhause, mit dem Osterevangelium in Kurzform sowie einem bunten Osterei, werden den rund 80 regelmäßigen Gottesdienstbesuchern nach Hause gebracht, sagt Pfarrerin Auksutat. „Und wir geben Tütchen an Apotheken, Tankstellen sowie den Hofladen, wo sie weiterverschenkt werden.“ Auch Kindern des Kindergottesdienstes würden kleine Osterpräsente gebracht. „Das Osterlied ‚Christ ist erstanden’ wird am Ostersonntag um 10.15 Uhr gesungen – auf Balkonen, an Türen und Fenstern. Mit drei Kirchenmitgliedern werde ich selbst vorm Altenheim zur Gitarre singen.“ Ksenija Auksutat engagiert sich von Herzen, um die Verbundenheit der 2300 Christen der Gemeinde in dieser Zeit zu stärken: „Ja, es ist schrecklich, dass wir nicht gemeinsam Ostern feiern können. Und doch freue ich mich, dass wir täglich 300 Klicks auf der Homepage haben, wo ich Video-Andachten und Hoffnungsgedanken einstelle.“

Pfarrerin Auksutat versichert: „Wenn die Gläubigen derzeit unsere offene Kirche auch nur einzeln aufsuchen können, so bete ich doch stets für alle mit.“ Sie betont: „Es gibt kein Leben frei von Leid, aber Glaube hilft, es zu tragen. Ich meine, Gott ruft uns gerade jetzt zur Umkehr.“

GEBETE

66 255 evangelische Christen aus 35 Gemeinden bilden das Dekanat Groß-Gerau/Rüsselsheim. 19 katholische Gemeinden mit 55 000 Gläubigen gibt es. Die Pfarrer empfehlen aufgrund der Corona-Pandemie Gebete daheim und TV-Ostergottesdienste. (lot)

Sehr viele Telefonate führe sie, viele E-Mails schreibe sie: „Wo möglich, spreche ich mit Menschen an Türen oder am Gartenzaun.“ Einträge ins Gästebuch der Kirche gebe es viele. „Lieber Gott, bleib bei mir in dieser schweren Zeit, gib mir Hoffnung und erhelle mein Gemüt“, heißt es da. Und Gebetskarten liegen aus.

Auch die katholische Pfarrkirche St. Bonifatius in Riedstadt kann nur einzeln von Gläubigen aufgesucht werden. Viele Opferkerzen leuchten, das Kreuz ist mit einem lila Tuch verhängt. Pfarrer Anton Lucaci ist Seelsorger für die 4300 Mitglieder der Pfarrei, die alle Stadtteile umfasst. Osterkerzen gibt es gegen ein kleines Entgelt, der Ostersegen „Jesus sagt: Ich bin das Licht“ liegt aus.

„Ostern fällt nicht aus. Es wird nur anders gefeiert. Der Familienkreuzweg, den wir sonst gemeinsam gehen, wird vorm Altar aufgebaut“, sagt Pfarrer Lucaci. Von Gründonnerstag auf Karfreitag bleibe die Kirche bis in die Nacht geöffnet. Den Ostergottesdienst feiere er sehr bewusst stellvertretend für seine ganze Gemeinde.

Gemeindereferentin Angelika Rodenhausen-Buhl betont, dass sich die Liturgie kaum verändere. Das, was schwerfalle, sei, dass die Gemeinde nicht dabei sein könne. Seelsorge sei Arbeit mit Menschen und für Menschen, Segen meine Berührung. Ich freue mich sehr darauf, wenn unsere Kirche wieder offen ist. Pfarrer Lucaci ist zuversichtlich. Das Kreuz gehöre zum Leben. Die Auferstehung lösche den Karfreitag nicht aus. Auch die Corona-Krise sei ein Kreuz, eine Prüfung. Sie mache die Welt zu einer einzigen Leidensgemeinschaft. „In der Karwoche durchleben wir Leid, aber wir erleben auch das Licht der Auferstehung“, stellt er fest. Inmitten von Sorge und Angst lege der Pfarrer an Ostern eine Botschaft der Hoffnung und Zuversicht in der Kirche aus.

Pfarrer Volker Herwig aus Wolfskehlen, wo derzeit die evangelische Kirche renoviert wird, sagt nachdenklich: „Diese Zeit stellt eine große Herausforderung dar, in Kontakt mit der Gemeinde zu bleiben. Für mich zumal, da ich mit digitalen Medien fremdele.“ Ostern werde es einen Lesegottesdienst der Riedstädter Kirchen auf der Homepage geben. Es gebe ihn auch in gedruckter Form in den Kirchen. Zur Todesstunde Jesus – 15 Uhr – würden an Karfreitag alle Glocken läuten und zum gemeinsamen Gebet im Geiste einladen, ebenso am Ostermorgen um 7 Uhr: „Mögen alle in Gott behütet bleiben.“