Ried-Echo vom 24.10.2019: Langer Atem für die Musik

Seit fünf Jahrzehnten leitet Ingeborg Haust den Posaunenchor der evangelischen Gemeinde in Stockstadt. Helmut Schneider ist ebenso lange ihr Schüler. Beide wurden nun geehrt.

Von René Granacher

STOCKSTADT – 50 Jahre an der Posaune, 50 Jahre Musik zur Ehre Gottes: eine reife Leistung. Ein doppeltes kirchenmusikalisches Jubiläum hat die evangelische Gemeinde am Sonntag mit einem Festgottesdienst und anschließendem Empfang in der Kirche gefeiert. Denn Ingeborg Haust ist seit einem halben Jahrhundert Leiterin des Evangelischen Posaunenchors, Helmut Schneider ebenso lange ihr Schüler. Als die Lehrerin Ende 1969 die Leitung der Gruppe übernahm, war der Bub namens Helmut einen Monat zuvor beigetreten und erlernte von da an sein Instrument.

Viele andere folgten ihm, kamen über die Jahre dazu und gingen auch wieder, wenn sich die Lebenssituation änderte. Haust und Schneider blieben und wurden nun vielfältig gewürdigt und geehrt. Denn die Musik des Posaunenchors ist aus dem Leben der Kirchengemeinde nicht wegzudenken: bei Gottesdiensten und Festen, bei ökumenischen Veranstaltungen wie dem Martinszug, über lange Jahre auch beim Pfarrfest der katholischen Gemeinde. Auch in anderen Orten trat die Gruppe auf, so in Biebesheim oder bei der Waldweihnacht auf dem Kühkopf.

Für das Posaunenwerk der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau war Martin Weisser gekommen, um die Leistungen der Leiterin und des Musikers über fünf Jahrzehnte zu würdigen. Viel Freizeit sei während dieser langen Zeitspanne in die Kirchenmusik geflossen. Die Zahl der Posaunenchöre in evangelischen Gemeinden nehme langsam ab, sagte er, liege aber allein im Bezirk Starkenburg noch bei 71.

Richard Hefermehl dankte für den Kirchenvorstand und erinnerte sich, wie er zeitweise selbst dem Posaunenchor angehört hatte. Er hob hervor, dass Haust zu den Übungsstunden seit 50 Jahren nach Stockstadt fahre, erst aus Alsbach und nun schon lange aus Darmstadt. Zugleich sei sie in ihrer Funktion die dienstälteste Mitarbeiterin der Kirchengemeinde und eine Konstante im Ort.

Unzählige Stücke hat Haust in dieser Zeit mit der Gruppe eingeübt und oft auch umgeschrieben, schon weil Musik für kirchliche Posaunenchöre traditionell in der speziellen Kuhlo-Notation steht, sodass sie direkt aus Gesangbüchern gespielt werden kann. In 50 Jahren waren es etwa ebenso viele Männer und Frauen, früher auch Jungen und Mädchen, die unter Leitung von Ingeborg Haust gespielt haben.

13 sind es derzeit, und mehr sollen es auch nicht werden: „Ich will keine Zeit mehr in die Ausbildung von Neuzugängen investieren“, erklärt Haust. „Wir werden jetzt zusammen alt.“ Aus Marburg stammend, war sie schon früh durch ihren Vater, ebenfalls Leiter eines Posaunenchors, in Berührung mit Blasinstrumenten gekommen. Nachdem ihre ältere Schwester schon Tenorhorn spielte, durfte sie mit 14 Jahren anfangen, die Posaune zu erlernen.

Als Lehrerin in Gernsheim kam sie durch ihren Vorgänger Karl Heinz Hannig, einen Studienkollegen, in Verbindung mit dem Posaunenchor der Stockstädter Gemeinde. Diese wollte sie zunächst nicht einstellen, weil weibliche Chorleiter damals ganz unüblich waren, besann sich dann aber eines Besseren. 15 Pfarrer und Pfarrerinnen erlebte Haut schließlich in den Jahrzehnten ihrer Tätigkeit.

Zu den Kostproben ihres Könnens, die von den Bläsern in dem Gottesdienst mit Pfarrer Hans Jürgen Basteck zu erleben waren, gehörte der Bach-Choral „Nun danket alle Gott“. Mehrere Stücke erklangen gemeinsam mit dem Flötenkreis der Gemeinde (Leitung: Sonja Siegel), so zum Abschluss die „Irischen Segenswünsche“ auf ein Motiv aus dem bekannten Kanon von Pachelbel.