An(ge)dacht September – „Wir schaffen das“

„Wir schaffen das“

„Wir sitzen alle im selben Boot.“ Das ist ein starker Satz. Jemand sagt etwas, das für alle gilt, also auch für mich. Das Bild macht gleich klar, was mir droht, wenn ich mich nicht mitgemeint fühle: Dann schwimme ich ganz allein im weiten Meer, denn die anderen sitzen ja alle drin im Boot.

„Wir schaffen das.“ Bundeskanzlerin Merkel hat das 2015 gesagt, als sich viele Sorgen gemacht haben, wie die vielen geflüchteten Menschen in Deutschland untergebracht und versorgt werden können. Mit ihrem starken Satz wollte die Kanzlerin damals wohl deutlich machen, dass die Bevölkerung, die bereits hier lebt, keine Angst zu haben braucht. Aber sie hat damit zugleich alle in die Pflicht genommen. Und auch hier wurden die, dies sich nicht mitgemeint fühlten, ausgegrenzt. Sie suchten sich dann neue Verbündete und wurden ein neues, rechtes Wir. Zu dem „wir“ gehört oft das „uns“. Unser Land, unsere Sprache, unsere Kinder.

In der Kirche heißt es oft: „Wir glauben in unserer Gemeinde an Gott.“ Ich begegne solchen Aussagen eher misstrauisch. Bin ich denn Teil von diesem „wir“? Ich trage ja einen nicht sehr häufig vorkommenden Vor- und Nachnamen. Der fremde Klang löst aus, was Fremdes meistens auslöst: Misstrauen, Angst, Distanz. Die ist keine von uns, pass erstmal auf – so die unbewusste Reaktion vieler Menschen. Darum bedeutet es mir sehr viel, dass vor Gott alle Menschen in den Blick kommen. Und zwar als einzelne Persönlichkeiten, mit ihrem Glauben, ihren Sorgen und Hoffnungen.

Dass dieses „wir“ gerade im Glauben jeden Tag neu eine Frage an jeden Einzelnen ist, hat der Theologe Dietrich Bonhoeffer jungen Christ*innen mit auf den Weg gegeben. Er sagte im Frühjahr 1938 in einer Predigt zur Konfirmation: „Aus dem ‚Wir glauben‘ muss nun immer mehr das ‚Ich glaube‘ werden. Der Glaube ist eine Entscheidung. Darum kommen wir nicht herum.“

Ich finde, „unsere“ Gemeinde hier in Stockstadt ist ein guter Ort, um Ausgrenzung und Distanz zu überwinden. Um über den Glauben nachzudenken. Und das Zusammenleben für jede und jeden gut zu gestalten. Für uns. Alle. Wirklich jede und jeden.

Pfarrerin Ksenija Auksutat